|
|
Mit Stock, Charme und Bolero
Madrugá Flamenca interpretierten Nerudas Gedichte im Großen Haus des Theater Freiburg
Ein Vertreter der reinen Lehre war das Freiburger Ensemble Madrugá flamenca noch nie. Und wenn das
aktuelle Programm einerseits Pablo Nerudas "Poemas de amor" und andererseits Gäste ankündigte,
durfte der Zuschauer am 6. Januar im Großen Haus des Theater Freiburg mehr als einen gewöhnlichen
Flamenco-Abend erwarten. Und wirklich ging es Madrugá flamenca um nichts Geringeres als eine
Zusammenführung der Künste.
Der Anfang war als durchaus programmatisch zu deuten, denn zu
eingespieltem Meeresrauschen und einer Gedichtrezitation des chilenischen Autors, bearbeitete Nelson Leiva
mit Pinsel und Farbe den weißen Malgrund. Der in Freiburg lebende Leiva hat nicht nur in Zusammenarbeit
mit Madrugá flamenca die in der Edition Büchergilde erschienenen "Poemas de amor" illustriert,
er hatte auch seinen Landsmann Neruda noch in Chile kennen gelernt. Für den Flamenco war das fünfköpfige
Ensemble dann selbst zuständig, doch nicht ganz, Marco Volta, vom Tanztheater Freiburg Heidelberg
sowie Mercedes Ruiz und Santiago Lara zeigten, wie man den Tanz oder genauer dieses Lebensgefühl auch
darstellen kann. Diese Offenheit wirkte angenehm unprätentiös, doch Madrugá flamenca kann es
sich leisten, geriet der Abend doch vor ausverkauftem Haus zum Heimspiel, nicht zuletzt wegen der
ausdrucksstarken und technisch brillianten Frontfrau Sybille Märklin.
Die Tänzerin und die Musiker Jörg Hofmann (Gesang, Gitarre), Markus Lechner (Kontrabass), Jörg
Benzing (Querflöte) und Frank Bockius (Percussions) haben sich nicht nur in der Region einen Namen gemacht
mit ihrer freien Interpretation des spanischen Tanzes, die auch durchaus jazzige Elemente einschließt.
Die Formation setzt nicht auf die strenge einhaltung einer (konstruierten) Tradition, sondern vertont und
vertanzt auch Lyrik von Neruda oder sogar Goethe.
Der Abend "Poemas de amor" bot daher entsprechend der verschiedenen Tonlagen von Nerudas Liebesgedichten unterschiedliche
Stimmungen, die von Hofmann in burleske Bulerías, Soleás und getragene Fandangos übertragen
und von ihm selbst gesungen wurden. Bei Märklin ist der Flamenco auch immer ein Spiel mit Rollenmustern,
hat er mit seiner eruptiven Leidenschaft durchaus sehr herbe Seiten. So beginnt die gut zweieinhalbstündige
Vorstellung auch mit der Farruca "La voz del poeta", die Märklin in Hosen und Bolero und mit einem Stock
tanzt, der zusätzlich als Rhythmusinstrument eingesetzt wird. Später tanzt sie mit Marco Volta ein sehr
erzählerisches Duo, bei dem ihre Kastagnetten ihn zuerst locken, diese dann von ihm auf beide Seiten der
Bühne weggestoßen wurden, um nach der Trennung von beiden aufgegriffen zu werden. Am Ende ist deren
Klackern ein wehmütiger Abgesang auf eine verlorene Liebe. Die Hommage an Pablo Neruda zeichnet sich durch
Vielseitigkeit aus. Während Voltas Tanz weichere Bewegungen und nicht die charakteristische gerade Linie
des Rückens zeigte, führte Mercedes Ruiz begleitet von Santiago Lara die weniger verspielte, sehr
temperamentvolle klassische Variante auf.
Zum Finale gab es dann noch einmal von allen Akteuren geballte Lebensfreude mit einer Prise Ironie.
Kulturjoker, 2/06.
|
|